Viel Spaß beim Nachkochen!
Vorwort zur 1. Auflage von 2011
Meine Tante Renate kam als viertes von fünf Kindern meiner Großeltern Gerhard und Felicitas Behrend von Grass im Jahre 1925 in Buchenrode/ Westpreußen, etwa 50 Kilometer von Danzig entfernt, zur Welt. Liebevoll wurde sie von den Eltern und den Geschwistern Kucki oder Kuckchen genannt.
Die Familie lebte sozusagen auf „Abruf“ in einem kleinen, gemütlichen Gutshaus in Buchenrode, denn durch den verlorenen 1. Weltkrieg hatte der Völkerbund beschlossen, dass Polen einen Zugang zum Meer erhält und dieser so genannte „polnische Korridor“ war genau dort, wo die Familie Grass ihre Güter bewirtschaftete. Wie die deutsche Geschichte Westpreußens zu Ende ging, ist den meisten wohl bekannt und die Familie musste, wie so viele andere Deutsche auch, einen Neuanfang im Westen starten. Grassens landeten in Weißenhaus, 8 km von Oldenburg/Holstein, an der heimatlich so vertrauten Ostseeküste.
Renate arbeitete seit Ende des Kriege als OPSchwester und war unter anderem in Heiligenhafen und Oberhausen tätig. Ihre Erziehung und ihre ausgesprochen schnelle Auffassungsgabehalfen ihr dabei die Wirren und Nöte der damaligen Zeit besser zu verarbeiten und zu überwinden als andere und so wurde aus dem Mädchen Kucki die junge, schöne und selbstbewusste Renate.
Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts lernte Renate dann den Kaufmann Kurt Kampffmeyer kennen, der durch den frühen Tod seines Vaters schon als sehr junger Mann für den Wiederaufbau der Firma verantwortlich war. Kurt verliebte sich sofort in diese junge, attraktive Frau, die, wie man es zu damaliger Zeit ausdrückte, „sehr patent“ war. Im Jahr 1956 heirateten Kurt und Renate und bildeten, wie man wiederum heute sagen würde, ein absolutes „Power-Paar“.
Über der Firma Kampffmeyer, am Hamburger Alsterufer, wohnte das Ehepaar Kampffmeyer im Penthouse, mit einem absoluten Traumblick über die Außenalster in Richtung Hotel Atlantic. Im Eheleben waren die Aufgaben klar verteilt. Kurt leitete die Firma und Renate hielt ihm den Rücken frei. Aber schon die Aufteilung der Räumlichkeiten zeigte ganz klar wer über wem, wer oben war und wer „regierte“. In dieser Zeit entwickelte sich Renate zur perfekten Gastgeberin, die ihre Aufgabe absolut verinnerlichte und mit völliger Hingabe und Liebe zum Detail perfektionierte. Bei einem Mann wie meinem Patenonkel Kurt konnte es nämlich schon mal passieren, dass er um kurz nach 12 Uhr mittags oben bei Kucki anrief und beiläufig vermeldete, dass man mit acht (!) Gesprächspartnern in schwierigen Verhandlung säße, man die Zeit sinnvoll nutzen müsse und nicht erst noch in ein Restaurant gehen wolle. In etwa einer Stunde müsse dann oben das Essen für 10 Personen auf dem Tisch stehen und sie als adrette und ungestresste Gastgeberin zur Verfügung stehen.
Renates Kredo seit dieser Zeit ist „Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen!“. Kurt konnte sich hundertprozentig auf sein „Renatchen“ verlassen. Er konnte auch sicher sein, das alle Gäste des Hauses Kampffmeyer nicht nur eine köstliche, warme Mahlzeit erhielten, sondern auch noch die geballte Charme-Offensive der Gastgeberin und Hausfrau als warme Erinnerung mit nach Hause nehmen sollten. Ein unschätzbarer Vorteil bei schwierigen Verhandlungen, die entsprechend immer öftereinen kulinarischen Abschluss in der obersten Etage erhielten. Denn dies ist jedem, der bisher Renates Gastfreundschaft genießen durfte, wohl am esten in Erinnerung geblieben: es gibt nicht nur etwas (obwohl - meistens etwas mehr!) zu essen, sondern als kostenlose Zugabe noch eine riesige Portion Herzlichkeit! Also was gibt es schöneres im Leben, als satt zu sein und ein warmes Herz geschenkt zu bekommen?!
Seit dem Ende der 60er Jahre war Hornsmühlen im Kreis Segeberg zunehmend das Zentrum von Renates Gastfreundschaft. Sie organisierte dort ungezählte Jagdgesellschaften und andere Groß-Events mit einer Leichtigkeit und Nonchalance, die jeder Feier eine ganz besondere Note verlieh. Es war sozusagen der „Kucki-Faktor“, denn alles was Renate anfasst wird mit Herzblut und Liebe durchgeführt und diese besondere Note spürt jeder Gast. Oder wie drückte es ein alter Freund der Familie bei einer Besprechung in schweren Zeiten mit den Banken aus: „Renate Kampffmeyer ist die einzige Frau, die ich kenne, die aus Schmierseife Pflaumenmus kochen kann!“ Danke Herr Baron! Besser kann man es nicht ausdrücken!
In den 80er-Jahren geriet die Firma Kampffmeyer in unruhiges Fahrwasser und ging für die Familie unter. In dieser Zeit war Kurt bereits schwer krank. Renate bewies gerade damals jeden Tag aufs Neue, dass Kurt eine absolut loyale Lebenspartnerin in ihr hatte, die mit ihm durch dick und dünn ging. Ihr Kämpferherz, ihre Zuversicht sowie ihr ungebrochener Optimismus erhielten dem Ehepaar Kampffmeyer Hornsmühlen und Kurt den Überlebenswillen. Die 80er-Jahre gingen und mit dem neuen Jahrzehnt kam nicht nur die deutsche Wiedervereinigung, sondern auch die Chance einen Teil, der durch die Teilung verloren gegangenen Liegenschaften in Ostdeutschland zurück zu erhalten. Darüber starb Kurt im Jahre 1990. Wieder war das Kämpferherz der Frau gefragt, die in ihrem Leben schon so viel verloren hatte und danach immer wieder aufbauen musste.
Kucki nahm den Kampf um Kurts Vermächtnis auf. Die Banken, die ja bereits die Firma vereinnahmt hatten, trieben Renate durch mehrere Gerichtsinstanzen. Renate siegte in jeder Instanz und bewies dennoch den ihr eigenen Großmut. Ganz im Sinne ihrer Wertevorstellungen und Erziehung bot sie den Banken nach deren Niederlage einen fairen Vergleich an, mit dem alle mehr als gut leben konnten. Diese große Geste zeigt einen weiteren, unvergleichlichen und tiefverankerten Wesenszug dieser herzlichen Frau: eine unerschütterliche Großzügigkeit, die jeden treffen kann!
Um Renates Lebensleistung zu würdigen und zu ehren, hatten meine damalige Lebenspartnerin Kiki und ich die Idee der Nachwelt das zu konservieren, was schon so vielen Menschen Freude, ein glückliches Gefühl und so manches zusätzliche Pfund auf den Hüften beschert hat! Nun, nach knapp zwei Jahren Arbeit, ist die Sammlung mit Kuckis besten Rezepten und Tipps fertig und macht Ihnen hoffentlich viel Spaß beim Lesen und Nachkochen. Es ist eine kulinarische Reise durch ein erfülltes Leben, angereichert mit ein paar Ergänzungen und Rezepten, die von mir stammen, aber durch Kuckis Inspiration oder Ideen entstanden sind und ihr Werk abrunden.
Mit diesem Buch möchte ich mich bei meiner Tante Kucki bedanken, dass sie immer eine große Hilfe für mich war, der ich unglaublich viel zu verdanken habe. Das gilt nicht nur für den Bereich der Kochkunst. Auch bei der Vollendung dieses Buches hat sie mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden und mit köstlichen „Schmankern“ für mein leibliches Wohl gesorgt. Eine Woche = zwei Kilo! Entsprechend möchte ich dieses Vorwort mit dem Tischgebet beenden, das von Renate immer am Mittagstisch gesprochen wird und sie in diesen Dank einbeziehen:
„Danket dem Herrn, denn er ist freundlich
und seine Güte wäret ewiglich. Amen“
Jörg-H. B. v. Grass
Hornsmühlen im November 2011
Vorwort zur 2. überarbeiteten Auflage 2013
Wir freuen uns sehr, dass unser Kochbuch so gut angekommen ist. Die erste Auflage war bereits nach etwas mehr als einem Jahr vergriffen. In der vorliegenden zweiten Auflage haben wir einige Fehler beseitigt und Rezepte korrigiert. Wir hoffen, dass Sie auch weiterhin viel Spaß beim Nachkochen mit unserem Buch haben.
Vielen Dank an meine Frau Inga, die, trotz ihrer Schwangerschaft im 8. Monat, bei der Fehlersuche und der Korrektur der Rezepte dieser aktualisierten Ausgabe eine unschätzbare Hilfe war.
Neue Rezepte und Kochtipps gibt es im Internet unter http://kochkurz.de und bald auch als aktuelles Kochbuch.
Jörg-H. B. v. Grass
Hamburg, im August 2013
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